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Geschichte

Festschrift zum 175-Jahr Jubiläum

Vereinsgeschichte des Kirchenchores Cäcilia St.Georgen

1. Vom «Kirchengesangschor» zur «Cäcilia» (1834-1914)

Christoph Baur

Das hehre Kirchenlied, das schon der Mönch Hartker vor tausend Jahren in seiner einsamen Zelle auf unseren Höhen angestimmt hatte, wurde Jahrhunderte hindurch von den gottgeweihten Jungfrauen des Klosters St. Georgen eifrigst gepflegt. Als sich im Jahre 1834 die klösterliche Gemeinschaft auflöste, übernahm die Einwohnerschaft von St. Georgen die hohe Aufgabe, das Gotteslied als kostbaren Erbteil zu erhalten und zu pflegen.
Unter der Leitung von Herrn alt Lehrer Zingg bildete sich im Sommer des Jahres1834 der erste Kirchengesangschor, bestehend aus Gliedern der Zingg ’schen Familie und aus einigen Jünglingen und Jungfrauen, worunter sich Lehrer Rüttimann durch seine volltönende Bassstimme auszeichnete. So stiess das Vereinsschifflein unter günstigen Auspizien in die See hinaus. – Herr Zingg hat sich in der Geschichte des Kirchenchores einen Ehrenplatz errungen. Während den folgenden 30 Jahren wirkte er zur Lösung der Vereinsaufgabe aktiv mit. (…)
Im Jahre 1839 wurde Herr Josef Anton Federer an die Schule in St. Georgen gewählt. Unter seiner Direktion sangen ca. 20 Mitglieder nicht nur leichte deutsche, sondern auch schwierigere lateinische Messen und Lieder. Die Proben wurden jeweils an den Sonntag-Abenden im Wohnzimmer des Lehrers abgehalten. Der Gehalt des Dirigenten betrug jährlich 4 Franken 20 Rappen, welche Summe im Jahre 1842 auf 23 Franken erhöht wurde.
So wird uns in der ältesten Vereinschronik vom Werden unseres Chores berichtet. Da scheinbar während der ersten Jahrzehnte überhaupt keine Protokolle geschrieben wurden oder aufbewahrt worden sind, musste sich wohl später jemand hingesetzt haben, um die Erstzeit zu Papier zu bringen. Der Name «Kirchengesangschor» verpflichtete die Mitglieder zu hauptsächlich kirchlichem Gesang, was aber nicht bedeutet, dass keine weltlichen Lieder einstudiert worden sind. Die späteren Protokolle zeigen deutlich die zwiespältige Bestimmung des Gesanges. In fast paritätischer Weise werden beide Sparten der Musik gepflegt.
Aus dem Juli 1869 datieren die ältesten noch vorhandenen Protokolle. Mittlerweile nannte man sich «Gemischter Chor von St.Georgen». Die Namensänderung dürfte darauf zurückgehen, dass in den Anfängen die Statuten sehr oft erneuert, überarbeitet oder komplett neu gestaltet worden sind. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass man in den Büchern in Abständen von zwei Jahren immer wieder auf die «neuen» Statuten stösst. Dieses Zeugnis von Unsicherheit und Unzufriedenheit dürfte wohl auf Anstösse von Vereinsmitgliedern einerseits, von Pfarrherren und Behörden andererseits zurückzuführen sein. – 1869 zählte man 16 Aktivmitglieder, welche sich interessanterweise eigenhändig Im Protokoll einzutragen hatten. Bei den Kommissionsmitgliedern sind die Funktionsstufen deutlich eingetragen; alle andern tragen nur den Vermerk «ausgetreten», Daten der Austritte fehlen.
Die neuen Statuten besagen, dass Personen, die dem Verein beitreten wollen, dies der Kommission kund zu tun haben. Über ihre Aufnahme befindet nur der Vorstand – Ähnliches erfahren wir bei den Gesuchen um Entlassung. Jungmitglieder weiblichen Geschlechts mussten mindestens 17, Burschen 18 Jahre alt sein.

7. Januar (1870) Übung
Das Präsidium stellt die Anfrage an die Mitglieder betreffend Abhaltung einer Abendunterhaltung. Nach gewalteter Umfrage waren die Mitglieder für Abhaltung einer solchen einstimmig bereit. Der Ort der Abhaltung wurde als der geeignetste bei Herrn Hug im grossen Riethäusle als Sonntag, den 27. Januar abends 6 Uhr festgesetzt. Aus der Mitte der Mitglieder wurde der Antrag gestellt, nebst Verwendung der Vereinskasse, einen Beitrag von Fr. -.50 pro Mitglied zu leisten, welcher Antrag aceptiert wurde, ferner wurde ein gemeinschaftliches Essen bestimmt nebst 7 Liter Wein pro Mitglied.
Die Bereitschaft zu solchen Anlässen war in dieser Zeit stets vorhanden; das Bedürfnis nach derartiger Unterhaltung mangels anderer Medien (Film oder Fernsehen) gross. Über grosse Zeitabschnitte ist in den Protokollen ausschliesslich von Abendunterhaltungen, Spaziergängen und Übungen die Rede. Es muss angeführt werden, dass unter den Spaziergängen eigentliche Vereinsreisen gemeint waren.
Welcher modischen Anpassung unsere Sprache unterliegt, dokumentiert die Gasthausbezeichnung «Riethäusle». Kämpft man heute gegen die krasse Ausbreitung von Anglizismen in der Alltagssprache, zeigte sich damals eine sprachliche Verbrüderung und geistige Anbiederung an das damals mächtige und einflussreiche Österreich. Titel und Stücke von Theaterstücken weisen in die gleiche Richtung.
Freitag, den 30. Juli 1880, abends 8 Uhr
Vor Beginn der Gesangsübungen eröffnete der Gesangsdirektor folgende Verhandlungen: Ob, da die schönen Lieder für den gemischten Chor von Haim (?) seit sechs Jahren bereits aufgesucht und gesungen worden und ein Teil allgemein allerorts schon bekannt sei, nicht eine neuere gute Sammlung, wie z. B. die von Schnebeli angeschafft werden soll. Mit grosser Mehrheit wird zur Anschaffung einer neuen Sammlung geeigneter Lieder für den gemischten Chor gestimmt. Die geeignete Auswahl wird dem Direktor überlassen.
Was wir heute als blosse Bagatelle bezeichnen würden, schien damals wichtiger Diskussionspunkt zu sein, wozu gar die Zeit für die Chorprobe herhalten musste. Die Unterstützung finanzieller Art durch Kirchenverwaltung oder Pfarrei war dürftig. Neues Notenmaterial belastete die Vereinskasse; Kosten für Spaziergänge und Abendunterhaltungen mussten zum grössten Teil von den Mitgliedern getragen werden. Deshalb hatte nicht allein der Vorstand über Anschaffungen zu entscheiden.
Reisebericht vom Spaziergang nach Zürich

Spaziergang, Sonntag, den 9. September 1877
Zweifelhafte Witterung anscheinend ein neblichter Herbsttag werden zu wollen, doch mit ungetrübter Lust auf bessere Witterung hoffend hatten sich die Mitglieder eingefunden, und morgens um 6 Uhr per Dampf die Spazierfahrt nach Zürich unternommen, die dichten Nebelwolken verschwanden allmählich und es fing an heiter zu werden und die liebe Sonne scheinte uns doch noch einen schönen Tag zu gönnen. Nach 3 1/2 -stündiger gemütlicher Fahrt in Zürich angelangt, musste der von Herrn Lehrer Schildknecht angeführte Sch . . . zur Erfrischung das Nötige leisten, nachher wurde zur Ausfüllung bis zur Mittagszeit kurze Spaziergänge durch die Stadt gemacht mit etwas Regen begleitet, die alte Stadt ist keineswegs angenehm, dagegen können die neuen Quartiere als sehr schön bezeichnet werden.
Auf 12 Uhr Mittags zurückgekehrt zu der gefiederten Logie konnte man sich einer Frugalen Mittagstafel erfreuen, der Wein, der die Gemüter in freudige Stimmung gebracht, liess sich nach vollendetem Male durch die Kehlen der Vereinsmitglieder hören, mit Abwechslung von Gesang & Declamation & Tanz.
Wo uns heute eine Reisezeit von einer Stunde nach Zürich schon reichlich lange vorkommt, scheint die dreieinhalbstündige Fahrt fast unmöglich. – Unserem nostalgischen Hang zu gepflegten Altstadtbauten steht im Text eine diametral entgegengesetzte Empfindungsweise gegenüber. Es ist die Zeit der Industrialisierung; Modernes ist gefragt.
Solche Reiseberichte trifft man immer wieder. Teils sind sie für die Hauptversammlung breit ausgeschmückt und in minutiöser Detailarbeit vorgelesen worden. Sie werden in den Protokollen erwähnt, sind selber aber nicht mehr erhalten.
Versammlung
Montag, den 2. April 1888, Abends 7.30 Uhr bei Verwaltungsrat, Herr Fidel Büchel, Wirt zur Steinach. Anwesend 7 Mitglieder + 2 Verwaltungsräte und Herr Lehrer Keel als Gast.
Traktandum
Besprechung über Organisation des Kirchenchores.
Herr Chordirigent, Lehrer Schildknecht, fordert den Hauptinteressenten Jakob Volt auf, sein Votum über obengestelltes Traktantum abzugeben, was Letzterer dann auch tat, indem er an Hand von Tatsachen den Gegenstand beleuchtete, dass der Chor, wenn nichts gearbeitet werden könne, in kurzer Zeit dem Untergang nahe sei. Er weist besonders auf die Tatsache hin, dass z. B. Messen, welche vor Jahren schön gesungen worden, jetzt nicht mehr das gleiche seien. Auch was Ordnung anbelange, so gehe es gar nicht Vereinsgemäss zu, indem an Übungen Verspätungen und Absenzen zur Hauptsache gehören. Ferner wisse man nicht einmal, wer Mitglied sei oder nicht. Redner hat den Plan zu einer Organisation schon lange im Kopfe, aber noch nie zur Ausführung gebracht und möchte nun an diesem den Gegenstand den Mitgliedern und Interessenten zu einer Besprechung vorlegen
Geschichtlich gibt es nichts Neues unter der Sonne. Kirchenchöre haben heute Probleme mit dem Aktivmitgliederbestand, vor hundert Jahren war es nicht anders. In zeitlich nicht weiter bestimmbaren Abständen kommt dieses Phänomen immer wieder vor; Massenaustritte sind immer wieder nachzulesen. Nur einmal wird dafür ein Grund angegeben: der Dirigent wurde als zu large befunden.
Oft wird in jener konservativen Zeit der Kirchenchor als eigentliche Eheanbahnungsinstitution missbraucht. Konfessionelle Mischehen waren gesellschaftlich unmöglich, so traten etliche Personen dem Verein bei mit dem Hintergedanken, jemanden kennen zu lernen, bei dem die Glaubenszugehörigkeit sicher «stimmte». So beobachtet man im Register der Mitglieder eine dauernde Rotation. – Jungfrauen werden von der Kommission brieflich zum Beitritt eingeladen, um den Verein wenig später im Stande der Ehe wieder zu verlassen
Verhandlungen
Mittwoch, den 12. Juni 1889 im Schulhaus
Als Passivmitglied wurde Herr Josef Iseli, Paker aufgenommen. Es teilte Herr Kaspar Walser dem Vereine noch mit, dass sich Passivmitglied Herr Joh. Baumgartner in einer Wirtschaft in höchst unanständiger, grober Weise über den hiesigen Herrn Pfarrer ausgelassen habe. Walser beantragt deshalb Ausschluss aus dem Vereine. Dem gegenüber glaubte Albert Eigenmann, es wäre tunlicher, wenn man Baumgartner erst eine schriftliche Mahnung zukommen liesse, da durch direkten Ausschluss zu grossen Hass gegen unsern Verein gepflanzt werden könnte und stellte solches zugleich als Antrag.
Die Sache «Baumgartner», die zuerst grosse Wellen schlägt, verläuft schlussendlich im Sande, da sich niemand bereit erklären kann, die Mahnung zu schreiben. Wer möchte sich schon im Dorf die Finger verbrennen?
Hierauf erklärte der Herr Präsident Schluss der Hauptversammlung, es war
7. 15 Uhr und wünschte, dass man sich noch recht lustig mache, da es Fasnachtssonntag sei, was auch geschah. Lieder, Declamationen, ein lustiges Spiel arangirt von Herr Direktor Federer setzten die Lachmuskeln noch in Bewegung, selbst die Beine sollen bei einigen auch noch zur Geltung gekommen sein beim Tänzchen, doch alles darf man nicht ausplaudern und schliesst der Aktuar Eduard Eigenmann.
Hätte der Aktuar nur den pikanten Schluss ausgeplaudert! Damit hätte er unsre Lachmuskeln grad noch einmal in Bewegung bringen können. Die menschlichen, profanen Ansprüche an den Verein könnten kaum deutlicher dargestellt werden
Die Statuten verlangen von den Vereinsmitgliedern einen tadellosen Lebenswandel Dass nun gerade unser Verein während aller Jahre nur von ausgeglichenen, senkrechten Damen und Herren gebildet worden ist, wäre vermessen zu glauben. Auch da gab es immer wieder Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten. Der gröbste Verstoss wird im folgenden Text
berichtet:
Tafel und Karten nahm und sie fortwarf, ebenso das Bier, welches der Jean Fürrer der Vierte, grad von der Kellnerin erhalten hatte, so dass Sie zu Ihr sagten, sie seien keine Hunde.
Nun wurde Frau Bürkler auch hitzig und soll gesagt haben
1. Unser Verein sei ein versofener Chor
2. Sie lasse Ihre Tochter nie mehr zu solch einem Pack gehen.
Nun wehrten sich unsere Frauenzimmer, das gehe der Verein nichts an und so weiter und drangen zum fortgehen, was von Ihnen und Jean Fürrer geschah. Josef Fürrer und Jud gingen noch in die Küche was dort gelaufen ist, wissen Sie nicht, da Sie fort waren, Josef Fürrer kam Ihnen bald nach, während Jud allein zurückblieb weil er ja sonst immer dort war.
Die Frauenzimmer spazierten mit diesen zweien noch übers «Tivoli» es war ca. 4.30 Uhr Nachmittags.
Wie eben bemerkt, blieb Jud, der dann in rechten Streit geriet, mit dem ganzen Wirtschaftspersonal; Fenster einschlug, Schläge austeilte, sogar das Messer gezogen haben soll, so dass man um 6.30 Uhr telefonisch nach St. Fiden um Polizei rief um Ihn zu arretiren.
Die 3 Zeugen stimmten miteinander, so dass die Komission dieselbe aufforderten, dem Vereine fernerhin zu verbleiben, und nicht zurückzutreten wie Sie es wollten, da Sie ja keine Schuld treffe.
Über lange Zeitabschnitte wird in fast monotoner Art vom Vereinsleben berichtet; jede Probe ist aufgezeichnet, die häufigen Spaziergänge in aller Länge geschildert, über jede organisatorische Änderung wird berichtet. Gegen Ende des Jahrhunderts entwickelt sich eine Passion für Theaterunterhaltungen . Abendfüllende Programme mit Gesang und volksbühnenhaften Aufführungen. Man müsste diesen Abschnitt als die Blütezeit bezeichnen, was die Öffnung gegen ausäsen anbelangt. In der Folge zeichnet sich eine auffällige Verstärkung im Mitgliederbestand ab. In der Euphorie der ersten Erfolge entsteht das folgende Protokoll. (Man weiss noch nicht so recht wie man die Leitung honorieren soll, muss oder könnte)
Tr. 8 Grativikationen
Da die Leitung des Theaterstückes dem Herrn Dirigenten Brader grosse Opfer kostete, so wurde Ihm den Betrag von Fr. 50. – als Grativikation zuerteilt. Ebenso soll dem Herrn Lehrer Federer in St. Finden für Seine bereitwilligkeit durch begleiten von komischen Stücken eine kleine Anerkennung zuteil werden, indem Ihm 2 Auflagen aus Spehmanns Bilderkatalog a Fr. 4.50 überreicht werden soll
Linguistisch Interessierte werden bemerkt haben, dass nicht nur in den Verein Bewegung gekommen ist, unterschwellig ist auch im Ausdruck der Sprache und dem Erstellen von Wortbildern Suchen nach neuen Möglichkeiten zu erkennen. Die Zeichen der Zeit deuten auf den nun anbrechenden Jugendstil mit seinem ganzen Hang zur ausschweifenden Präsentation und Lebensfreude.

2. Von der «Cäcilia» zum Kirchenchor Cäcilia St.Georgen (1914-1984)

Paul Buob

1. August 1914 Infolge Ausbruchs des europäischen Krieges müssen von unserem Männerchor 9 Mitglieder zur Sicherung unseres Vaterlandes in den Militärdienst einrücken. Ein Mitglied, Johann Steiner, wird als deutscher Wehrpflichtiger unter die deutsche Fahne gerufen.
In den folgenden vier Kriegsjahren war mit dem reduzierten Männerchor an keine Neueinstudierung mehr zu denken. Soldatenpäckli und häufige Kartengrüsse der Wehrmänner trugen dazu bei, den Verein während dieser ernsten Zeit zusammenzuhalten. Abstriche erfuhren auch die gesellschaftlichen Anlässe. Wie aus dem folgenden Protokollausschnitt zu schliessen ist, wohl zum Bedauern der jungen Chormitglieder
6. Mai 1915 Der Kassier macht eine Anregung, man sollte anschliessend an die Hauptversammlung, statt die übliche Tanzveranstaltung, für die es die gegenwärtige ernste Zeit, speciell für einen Kirchenchor nicht gestatte, einen Vortrag halten, über den idealen Zweck eines Cäcilien- Vereins, um hauptsächlich die jüngeren Mitglieder über diesen Punkt aufzuklären. Diese Anregung wird von der Comission lebhaft begrüsst und Herr Roth beauftragt, für diesen Vortrag einen Referenten zu engagieren.
Leider schweigt sich das Protokoll über den Erfolg des Referates aus. Auf den Einzug des Jahresbeitrages von zwei Franken wurde 1918 der schlimmen Zeit wegen gar verzichtet. Mitten in der Zeit des ersten Weltkrieges wurde ein Werk klein begonnen, das sich nach zwanzig Jahren lohnend auszahlte – der Orgelbaufond.
5. Dezember 1917 Es wird beraten, wie unser Orgelbaufond weiter gespiesen werden könnte, der jetztige Bestand beträgt schon den erfreulichen Anfang von Fr. 17.35. Wer ahnte da, dass dieser Fond einmal den stolzen Betrag von Fr. 18000.- ausweisen könnte? Doch nur das sonntägliche Kirchenopfer der Vereinsmitglieder auf der Empore brachte zuwenig ein.
30. August 1918 Der Präsident teilt mit, dass vom Kirchenverwaltungsratspräsidenten Herr J. Bruggmann und dem Cäcilienverein ein Abkommen getroffen wurde, zur Äufnung eines Orgelbaufonds. Zu diesem Zweck sollen an alle Cäcilienvereine der ganzen Schweiz Ansichtskarten versandt werden. Diese Karten sollen von den Mitgliedern dieser Vereine zu 25 ct per Stück verkauft werden. Jedem Verein wird ein Circular zur Aufklärung über den Zweck dieses Kartenverkaufs zugesandt. Der Erlös fällt dem Orgelbaufond zu.
Noch drastischer als in den Zeiten des Krieges verhinderte die Grippeepidemie von 1918 einen geregelten Vereinsbetrieb
30. August 1918 Der Präsident teilt mit, dass auf polizeilichen Erlass, wegen der Grippegefahr, die Proben für gemischten Chor bis auf weiteres gänzlich eingestellt sind. Es dürfen also nur noch Proben für den Männerchor allein und Proben für den Frauenchor allein gehalten werden.

Doch schon bald nach den unseligen Kriegsjahren beginnt der Verein wieder zu blühen. Ganz den Goldenen Zwanzigerjahren angepasst, lesen sich jetzt die Protokolle wie die Chronik eines Theatervereins; da nehmen die gesellschaftlichen Vergnügungsabende weit mehr Raum ein, als Einträge über kirchliche Anlässe.
Aus dieser Zeit sind älteren St.Geörglern die grossartigen Aufführungen verschiedener Volksstücke auf der Bühne des Restaurants Adler unter der Regie von Herrn Lehrer Hongler wohl am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben.
Zu den mit viel Enthusiasmus und schauspielerischem Können einstudierten und aufgeführten Volksschauspielen gehören unter anderem:

  • Die Else vom Erlenhof (1920)
  • Der Ehrengast (1923)
  • ’s Nullerl (1924)
  • Genovefa (1928)
  • Aga, die schwebende Jungfrau (1929)
  • Rosa von Tannenburg (1930)

Beim Theaterstück «Die Else vom Erlenhof» wird von einer dreieinhalbstündigen Aufführung berichtet, und das wohlverstanden nach einem vorangegangenen Lustspiel in einem Akt und einigen vorgetragenen Chorliedern im ersten Teil des Familienabends.
Doch auch beim Theaterspielen verlief nicht immer alles in Minne.
23. November 1920 Mit kurzen aber kräftigen Worten macht Herr Carl Ochsner den Mitgliedern die Aufklärung, dass einige dieses Theaterstück nicht gerne mitmachen, weil Sie in diesem Stück nicht so in hohem Glanze dastehen, wie Sie es gewünscht haben.
Die weltlichen Vergnügungen dieser Jahre mögen Herrn Pfarrer Dr. Geser wohl zur folgenden Ermahnung veranlasst haben:
5. November 1924 Hochw. Herrn Pfarrer fragt, ob es jetzt notwendig, dass der Verein immer 2-3 Vergnügungsabende halte. Er finde es als Seelsorger angezeigt, den Verein zu ermahnen und möchte Ihn dringend bitten, nur einen Familienabend zu halten. Über dieses Thema entstand nun eine gewaltige Disskusion.
Verschiedentlich finden wir in diesen Jahren auch Protokollausschnitte zum Thema Tanz.
23. Juni 1923 Herr Präsident bringt der Hauptversammlung vor, dass der Hochlöbl. Herr Pfarrer wünsche, dass an dieser nicht getanzt werden sollte. Herr Lehrer betont, dass die Sache nicht so tragisch genommen werden sollte und findet dies nicht gerechtfertigt. Dies sei ein alter Gebrauch, dass an der Hauptversammlung in der Gemütlichkeit einige Tänze gemacht. Es entspann eine heftige Oposition. Herr Billot bringt die Wortlaute des Herrn Pfarrer vor und betont, dass Er es so verstanden, die Tanzgelegenheit etwas zu vermindern und der jetztigen Jugend die Vergnügungssucht etwas abzutämpfen.
Zur Pflege der Geselligkeit wurden nebst mehrtägigen Reisen des öftern kleinere Vereinsausflüge unternommen. Über welche Probleme der Vorstand dabei zu entscheiden hatte, lesen wir im folgenden Protokollausschnitt.
2. Mai 1921 … Auf dieses möchte er die Anregung bringen einen halbtägigen Ausflug auszuführen und zwar vielleicht mit einer Breckfahrt (eigentlich Break.‘ kleiner offener Pferdewagen). Nach Reichlicher Diskussion kam man zu dem beschlusse Umgang zu nehmen, indem es mit sehr viel Unglück verbunden an einer solchen Fahrt. Herr Hongler betont, dass eine Einfache Fahrt per Wagen jedenfalls das Richtigste wäre. indem es den Mitgliedern noch zum Vesper gereiche und die Kasse das Maximum von Fr. 5. – pro Mitglied nicht übersteigen dürfe. Herr Präsident spricht aber, dass diese Fahrt für uns Unausführbar und zu starke Anforderungen opfere und sehr Verantwortlich im Falle eines Unglückes.

Dem Kirchenchor stand in diesen Jahren auch ein eigenes Vereinsorchester, das vornehmlich aus Mandolinenspielern bestand, zur Verfügung. Es unterstand ebenfalls der Leitung von Chordirektor 0. Hongler.
Kirchlicher Höhepunkt der zwanziger Jahre war wohl die Feier der 1000sten Wiederkehr des Todestages der Märtyrerin Wiborada. Im Herbst 1926 führte deshalb der Chor ein Wiborada-Festspiel von Frl. A. Sartory in fünf Akten auf. Zeitungsausschnitte jener Zeit zollen dem Cäcillaverein St.Georgen für die Aufführung grosses Lob. Der Vereinschronist von 1934 meinte dazu allerdings lakonisch:
Das Gedenkspiel wurde acht Mal aufgeführt, wobei der moralische Erfolg dem finanziellen weit überlegen war.
Die dreissiger Jahre brachten unserem Dorfe St.Georgen tiefgreifende Veränderungen. Am 11. Mai 1930 wurde der letzte Gottesdienst im alten Kirchlein mit einem Choralamt abgehalten. Schwer wurde der Abschied und manche konnten sich einer heimlichen Träne nicht erwehren. Der Adlersaal diente für anderthalb Jahre als Notkirche. Im Oktober 1931 erfolgte bereits der Umzug in die neue Unterkirche.
Schon in den Vorbereitungsarbeiten für die Einweihung der neuen Kirche – man studierte die Missa brevis in G von Rheinberger ein – beklagte man das ganz unerwartete Ableben des Dirigenten Otto Hongler. Der Hinschied dieses begabten und pflichtbewussten Mannes war für den Verein ein schwerer Schlag.
Doch kurze Zeit später schon konnte Josef Bieri, Lehrer in St.Georgen, als neuer Chorleiter gewonnen werden. Grosse Aufgaben und ein reiches Pflichtenheft erwarteten den neuen Dirigenten.
Die Probe seines Könnens zeigte Herr Bieri schon bei der festlichen Einweihung der neuen Pfarrkirche am 4. Dezember 1932. Der Chor sang zum Hochamt die neu einstudierte Messe von J. Rheinberger
Am 25. November 1934 lud der Cäciliaverein St.Georgen abends in den Adlersaal zur Feier seines 100-jährigen Bestehens ein. Zum Zentenarium wurde ein Festprogramm dargeboten, das sehr ansprechende Musikbeiträge unseres Chores und des Orchestervereins St.Gallen, sowie das Singspiel «In der Csarda» enthielt. Als weitere Marksteine der folgenden Jahre sind die Glockenweihe vom 10. Dezember 1934, der Abschied von Pfarrer Dr. Geser im selben Jahr und die Pfarrinstallation von Pfarrer Dr. Meile zu nennen.
Zwei Jahre später findet in St.Georgen wieder ein Pfarrerwechsel statt. Wer hätte bei der Amtseinsetzung von Pfarrer Wiederkehr gedacht, dass er während dreissig Jahren intensiv am Geschick unseres Vereins Anteil nehmen würde?
Am 7. März 1937 geht ein lang gehegter Wunsch unseres Chores endlich in Erfüllung. Mit einer musikalischen Feier wird die neue Orgel auf unserer Empore eingeweiht. Schon zwei Monate später treten die Kirchenchöre des Bezirks zum Bezirkscäcllienfest in unserer Pfarrkirche an. Unserem Verein wird dabei viel organisatorische Arbeit übertragen.
So Ist das Leben des Vereins in den dreissiger Jahren eng mit den bedeutenden kirchlichen Anlässen unserer Pfarrei verknüpft. Dass für die musikalische Umrahmung all dieser Feiern viele zusätzliche Proben nötig waren, bezeugen die Protokolleintragungen.
2. September 1939 Was man befürchtete ist Tatsache geworden – über Europa ist die Kriegsfackel entbrannt. Schon am 28. August wurden als vorsorgliche Massnahme die Grenztruppen aufgeboten. Alle Sängerkameraden, an die der Ruf der Heimat erging, haben dem Aufgebot unverzüglich Folge geleistet. – Unser Chor wird zusammenschmelzen. – Es ergeht daher an alle Daheimgebliebenen der Appell die Lücken bestmöglichst auszufüllen, damit der Chor auch während dieser schweren Zeit seine Aufgaben erfüllen kann.
Und wie der Chor seine Aufgabe erfüllte! 1943 sind 64 Aktivmitglieder eingeschrieben. Der Chor singt in diesem Jahr gleich zwei Orchestermessen, nämlich an Ostern und am Kirchenfest.
In die Zeit des 2. Weltkrieges fallen auch gleich drei Primizfeiern. Dem Chor fällt dabei die schöne Aufgabe zu, die Gottesdienste musikalisch mitzugestalten.
Vergnügliche Vereinsanlässe wurden notgedrungen etwas kleiner geschrieben, befand sich doch zeitweise fast der ganze Vorstand des Vereins im Dienste des Vaterlandes. Zum Thema Vereinsreise schreibt der Aktuar im Hauptversammlungsprotokoll.
5. Juli 1940 Niemand hat Reisefieber, und noch weniger Geld.
Trotzdem reiste der Verein 1941 aufs Rütli. Sorgen und Nöte von einst? Das kann man sich fragen beim Lesen der folgenden Zeilen.
19. November 1942 Der Vorsitzende kommt dann auf die Disziplin während den Proben zu sprechen. Hier sind einige Unzulänglichkeiten ganz entschieden zu bekämpfen. Gewiss sind die Wirkungen des Nervenkrieges in Berücksichtigung zu Ziehen. Trotzdem muss in dieser Sache einmal etwas rigoroser vorgegangen werden Das Verteilen des Missionsblättchens soll auf die Pause beschränkt werden. Die Probe ist weder Literatur-Zirkel noch Stickabend. Photographie- und Briefmarken-Kollektionen gehören ebenfalls nicht hieher.
Den Rahmen der ordentlichen Sonntagsgottesdienste sprengte wohl der folgende.
11. Mai 1947 Wiborada-Jubiläum. Die Pfarrei begeht heute das 900-jährige Jubiläum der Heiligsprechung der Klausnerin Wiborada. Beim feierlichen Gottesdienst (Pontifikalamt) bringt der Chor unter Leitung von Herrn Bieri Schuberts G-dur Messe mit Orchester, ferner das «Jubilate Deo» von Dietrich und «Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre» zum Vortrag.
Vorträge über die Geschichte unseres Dorfes leiteten 1951 die 500-Jahrfeier der Gründung der Pfründe St. Georgen ein .Im weiteren Verlauf der Feier zeigte unser Chor auf der Bühne das Stück «500 Jahre in lebenden Bildern» von Herrn Vikar R. Thalmann.
Auch eine Primizfeier mit Orchestermesse und Mozarts Laudate Dominum setzten 1951 einen festlichen Punkt ins Kirchenjahr.
Aufgabe des Kassiers ist es ja auch von jeher, die Passivbeiträge, unter anderem auch in Wirtshäusern, einzuziehen. Dazu folgende kleine Geschichte aus den Protokollen zum Schmunzeln:
27. August 1953 Ein Kapital für sich bedeutet der Einzug des Obolus am «Weissen Sonntag». (Weissonntagstrinker)
Im weiteren Verlauf der Debatte rettet nun ein Kommissionsmitglied die bisherigen Sonntagstrinker:
Es sei zu bemerken, dass nicht jeder Wirtshausbesucher am Vormittag des Weissen Sonntags ein Kommunionskind «habe». Wohl könne über sonntägliche Pintenkehren in guten Treuen gesprochen werden
Die Diskussion endet versöhnlich:
Mit dieser Erklärung darf die Debatte über diese Spezialsorte von Sonntags-Äthylikern als geschlossen betrachtet werden. Bis jetzt sind noch keine Fälle von Delirium tremens bekannt geworden. Den Weissonntagstrinkern sei daher Ihr unschuldiges Vergnügen auch in Zukunft huldvoll bewilligt.
Die sukzessive Einführung neuer deutscher Kirchengesänge im Rahmen der neuen Liturgiekonstitution des 2. Vatikanischen Konzils brachte in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre viel Unruhe in den Verein. Viele Sänger und Sängerinnen wollten sich das Liebgewordene, Traditionelle nicht einfach nehmen lassen. Zur Liturgiereform finden sich sehr viele Äusserungen unseres damaligen Präsidenten in seinen Jahresberichten.
7. Mai 1966 Es besteht kein Grund, die ehrwürdige Kultursprache auf den zweiten Platz zu verweisen.
Aber vielleicht hat sich in den folgenden Jahren doch der Vers von Wilhelm Busch bewahrheitet, womit der Präsident seinen Jahresbericht von 1966 schliesst:
Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt!
In die Zeit dieser Neuerungen fällt auch die Primizfeier von Josef Osterwalder in unserer Pfarrkirche. Im Juni 1967 bekommt St.Georgen einen neuen Pfarrherrn, Johannes Sennhauser. Ihm ist vorerst die Aufgabe gestellt, die Wellen, die die Reformen des Konzils verursacht haben, zu glätten. Mächtig erklang im November 1968 die Missa Domini, komponiert von unserem Dirigenten Othmar Schildknecht, durch unsere Kirche. Sie wurde während des Hochamtes am Bezirkscäcilienfest in St.Georgen aufgeführt.
Nach 37 Jahren treuer Pflichterfüllung übergab 1969 Josef Bieri den Dirigentenstab in die Hände von Othmar Schildknecht. Damit lag nun die Leitung unseres Chores zum ersten Mal in der Obhut eines Berufsmusikers.
Keine hohen Wellen warfen die nun folgenden Siebzigerjahre. Ab 1970 wurde unserem Verein der renovierte Pfarrsaal als Probelokal zur Verfügung gestellt. 66 Jahre lang hatte der Chor seine Gesangsproben im Hebelschulhaus abgehalten.
Seit jeher war es in unserem Verein Brauch, an weltlichen Anlässen unseres Dorfes teilzunehmen. So sangen wir zum Zentenarium der Musikgesellschaft St.Georgen im Juni 1972 im Rahmen eines St.Geörgler Abends den Fliegermarsch im grossen Festzelt auf der Weiherweid.
1979 verschönerten wir zum ersten Mal einen evangelischen Gottesdienst im Kirchgemeindehaus. Dieser Auftritt zeugt vom guten Einvernehmen mit unseren evangelischen Mitchristen.
Ein Dauerbrenner in den Vereinssitzungen der sechziger und siebziger Jahre bildet die Mitgliederwerbung. Mit Wehmut erinnert man sich der Zeit, als der Chor bis zu sechzig aktive Sänger und Sängerinnen zählte.

3. Nachwort

Walter SchäppiMit der vorliegenden Festschrift zum 150-Jahr-Jubiläum des Kirchenchores «Cäcllia» St.Georgen wird einmal mehr bewusst, dass alles der Veränderung unterliegt. Das wechselvolle Geschehen offenbart sich hier in den Protokollauszügen des Vereins, die in ihrer Art Zeitdokumente darstellen. Das Besondere und Reizvolle an diesem Zeitabschnitt, der einen weiten Bogen von anderthalb Jahrhunderten umschreibt, liegt wohl darin, dass die Entstehung des Kirchenchores mit Ereignissen der Zeitgeschichte, d. h. dem Werden des heutigen Kantons St.Gallen zusammenfällt, ja unmittelbar davon betroffen ist. Dieser Zusammenhang ist so eng, dass ohne weiteres gesagt werden darf, dass die Gründung des Kirchenchores eine direkte Folge der Zeitumstände von 1834 war. Um das zu belegen, muss man ein wenig in der st.gallischen Geschichtsschreibung zurückblätternDas eben begonnene 19. Jahrhundert gibt sich schon bald als eine vom politischen Umbruch und Wandel geprägte Zeit zu erkennen. Nach dem Ende der französischen Revolution beginnt in der Schweiz ein leidvoller Zeitabschnitt, wo innert kurzer Zeit und Folge eine Verfassung die andere ablöst – Helvetik, Mediation, Restauration und Regeneration heissen die Zeitkapitel, die rasch geschrieben, ebenso rasch umgeblättert werden – bis 1848 der heutige Bundesstaat aus der Taufe gehoben werden konnte. Noch war es aber nicht soweit, als in der Regenerationsbewegung die st.gallische Kantonsverfassung von 1831 entstand. Die folgende Zeit war gekennzeichnet vom Hin und Her zwischen den liberalen und konservativen Gruppierungen. Wollten die einen die Zukunft des bürgerlichrepublikanischen Staatswesens verteidigen und sichern, so setzten sich die andern für die Erhaltung der überlieferten Strukturen ein und glaubten unentwegt an die Wiederherstellung der Fürstabtei St.Gallen. Dieser vorwiegend vom konfessionellen Gegeneinander erfüllte politische Konflikt fand weitere Nahrung, als 1834 der damalige Landammann Gallus Jakob Baumgartner, von seinen Gesinnungsfreunden Johann Matthias Hungerbühler, Basil Ferdinand Curti und anderen unterstützt, vom Grossen Rat – der damals mehrheitlich liberal war – ein «Gesetz über die Rechte des Staates in kirchlichen Dingen» erfolgreich beschliessen liess. Dieses Gesetz trat dann allerdings nicht in Kraft, weil es im vom «Oberegger Verein» dagegen ergriffenen Referendum von einer Mehrheit des Stimmvolkes abgelehnt worden war. Auf dem Hintergrund dieser konfessionell gefärbten politischen Auseinandersetzungen ist nun der unmittelbare Anlass für die Entstehung des Kirchenchores Cäcilia in St.Georgen zu sehen, Am 3. Juni 1834 hatte das katholische Grossratskollegium (= Fraktion des Grossen Rates) beschlossen, den seit dem 15. Jahrhundert unter dem Schutz der mächtigen Fürstabtei stehenden und daher auch der Regel des heiligen Benedikts dienenden kleinen Frauenkonvents der hl. Wiborada zu St.Georgen aufzuheben. Dieser Beschluss war offenbar durch das Plenum des Grossen Rates zu ratifizieren, wie dies den folgenden Illustrationen aus den Protokollbüchern des Kleinen Rates und des Grossen Rates von 1834 entnommen werden kann. Über die Beweggründe, die zu diesem Entschluss geführt haben, kann man in guten Treuen geteilter Meinung sein. Sie stehen jedenfalls vorliegend nicht zur Diskussion. Als Hinweis mag Jedoch der Umstand dienen, dass nach der erzwungenen Aufhebung der Fürstabtei St.Gallen der damit verbundene Schutz – auch in materieller Hinsicht für die Schwesterngemeinschaft entfiel. Die Aufhebung war nach der Ratifizierung durch den Grossen Rat eine beschlossene und unumstössliche Tatsache, die dem segensreichen Wirken des St. Wiborada-Klösterchens ein abruptes Ende setzte. Immerhin gelangte ein schöner Teil des Klösterchenschatzes an die Kirchgenossen von St.Georgen, die damit eine Sammlung von bedeutendem Wert erhielten. Die Schwesterngemeinschaft fand in der Folge gütige Aufnahme im Frauenkloster Glattburg, wo das Andenken an die hl. Wiborada hoch geh alten und ihrem Beispiel mit Verehrung nachgelebt wird.Die Aufhebung des St. Wiborada-Klösterchens als sozusagen weltlich äusserlicher Vorgang brachte die Wende in der Pflege der geistlichen Musik, die vor allem aus Kirchengesang bestanden hatte. Ab welchem Datum in St.Georgen der liturgische Gesang der Schwesterngemeinschaft im St. Wiborada-Klösterchen ad maiorem Dei gloriam ertönte, lässt sich den vorhandenen Geschichtsquellen nicht genau entnehmen. Willy Mangold, der Verfasser des Festberichtes von 1934, geschrieben aus Anlass des 100Jahr-Jubiläums des Kirchenchores «Cäcilia» St. Georgen, hat sich für das Jahr 1661 entschieden, weil damals am 10. September die Primiz von Johann Kaspar Schürpf gefeiert und «von den Klosterfrauen mit ihrem wohlgeübten Gesang verschönert» worden sei. Ungeachtet dessen steht fest, dass es eine kirchenmusikalische Tradition in St.Georgen gab, genauso wie auch die Herz-Jesu Verehrung in St.Georgen eine Heimstätte hatte. Es entsprach daher der erklärten Absicht der Kirchgenossen von St. Georgen, dass die kirchenmusikalische Tradition weitergeführt werden sollte. Was blieb anderes übrig, als nach dem Wegzug der Klosterfrauen nach sangesfreudigen und sangeskundigen Pfarreiangehörigen Ausschau zu halten. Diese waren bald einmal in den Mitgliedern der Lehrersfamilie Zingg unter Beizug der Bassstimme von Herrn Rüttimann gefunden. Da zudem das Vereinsleben dazumals noch nicht so formalisiert war, ist eine eigentliche Gründungsurkunde nicht überliefert worden.Wie das Vereinsschiffchen auf den Wogen der Zeit hin- und hergeschüttelt wurde, ist hier nicht zu wiederholen; hiezu mögen die trefflich geführten Protokollbücher dienen. Ihnen ist auch zu entnehmen, dass die heute gültige Bezeichnung als Kirchenchor «Cäcilia» St.Georgen erst in späteren Jahren verwendet worden ist. Dies legt die Vermutung nahe, dass dies eine Auswirkung des sich nach der Gründung des Cäcilienvereins in Deutschland nach 1868 ausbreitenden «Cäcilianismus» war. In wieweit diese Bewegung auch in St.Georgen verspürt wurde, lässt sich aus den Protokollen nur ungenügend belegen. Immerhin lässt sich geltend machen, dass die bestehende Vereinsstruktur der katholischen Kirchenchöre mit dem Zusammenschluss in Bezirks-Cäcilienverbänden und dem Anschluss an den Oberverband der deutschsprachigen Bistümer auf der damaligen Reformbewegung fusst. In kirchenmusikalischer Hinsicht darf festgestellt werden, dass in St.Georgen stets tüchtige und begabte Chorleiter am Werk waren, die stets bestrebt darauf achteten, Tradition und Fortschritt in freundnachbarlichem Beieinander zu halten.