Zweimal im Jahr muss ein Chorleiter noch vor dem Morgengrauen aufstehen, nämlich zur Roratezeit und eben, wenn es auf die Chorreise geht. Trotz dieser Herausforderung gelang der Start zu einer Reise, die mit einem interessanten Programm aufwartete. Unser Reiseleiter, Martin Schregenberger, hat zusammen mit der Vizepräsidentin Susanne Raas wieder eine Chorreise vorbereitet, die nicht nur den guten Chorgeist förderte, sondern sich auch zu einer Bildungsreise entwickeln sollte. Gegen 30 Sängerinnen und Sänger, teils mit Partnern oder Partnerinnen und Gastsängerinnen und Gastsänger starteten also um 07.00 Uhr mit dem Ebnetercar bei der Kirche.
Der erste Zwischenhalt erwartete uns schon im Kloster Glattburg. Schon kurz nach dem Start griff Martin zum Mikrophon und wartete mit einer bemerkenswerten Geschichte auf. 1754 gründete ein Pfarrer Josef Helg in Libingen einen Verein frommer Jungfrauen zur ewigen Anbetung. Er überließ dann die Kongregation dem Schicksal und zog weiter um die Klöster Berg Sion Gommiswald, Berg Tabor Jestetten und Maria Einsiedeln in Rom zu gründen. Abt Coelestin Gugger von St.Gallen erbarmte sich der armen Schwestern und baute ihnen auf der Glattburg ein Kloster. Darin baute er die letzte, spätbarocke Klosterkirche im Kanton. Der Abt forderte aber die Einhaltung der Benediktinerregel, die durch zwei Schwestern aus dem Kloster St. Georgen eingeführt wurde. Nach der Helvetik, mit der Aufhebung aller Klöster, wurde das Kloster Glattburg mit der Gründung des Kantons wieder besetzt. 1834 wurde unser Kloster St.Wiborada in St. Georgen aufgehoben und die letzte Schwester
wechselt nach Glattburg. Unser ehemalige Präsident Sepp Scheiwiller war in seiner Jugend hier auch Ministrant. Speziell ist, dass der Altar auf die Monstranz ausgerichtet ist zur ewigen Anbetung und dass das Deckengemälde eine Kopie des Deckengemäldes in unserer Kathedrale ist. Ein sinniger Hinweis von Urs Troxler schuf den Bezug zum Kloster Saint Maurice, wo bereits 522 das „laus perennis“ eingeführt wurde, wie Pfarrer Stefan Lippuner in einer Predigt ausführte. Während 400 Jahren wurden Mönche in Chöre eingeteilt, die sich im Chorgesang abwechselten.
Darauf setzten wir die Reise fort mit dem Ziel Lenzburg. Auch auf dieser Fahrt warteten Informationen auf über den Habsburger Aargau, die Heiratspolitik der Habsburger, die das Aussterben des Geschlechtes verhinderte. Da Adlige durch ihre Kriegsdienste damals gefährlich lebten, hat z. B. der Stauffer Friedrich II., auch uneheliche Söhne wie eheliche behandelt und so mehr mögliche Erben geschaffen. Kaiser Sigismund rief 1414 das Konzil von Konstanz ein, um das Papstschisma zu überwinden. Es gab nämlich damals drei Gegenpäpste und
schon einen Papst Johannes XXIII, der aber nicht anerkannt war. Da dieser Gefahr lief, verhaftet zu werden, half Herzog Friedrich IV. von Habsburg ihm zu fliehen. Zur Strafe dafür wurde Friedrich vom Kaiser geächtet und die Eidgenossen aufgefordert, sich am Aargau zu bedienen. Die Berner holten sich das grösste Stück. Die Zürcher und Schwyzer den Rest und bildeten daraus ein Untertanengebiet. Uri machte da nicht mit, denn sie hielten sich noch immer an einen noch gültigen Friedensvertrag.
Aber die Aussicht auf den Kaffeehalt mit Gipfeli in Lenzburg war natürlich auch wichtig und ließ den Chronisten etwas abschweifen. Frisch gestärkt setzten wir die Reise fort zum Wasserschloss Hallwyl.
Eine muntere Schar wartete gespannt auf diesen Blick in eine längst vergangene Zeit. Es ist immer eindrücklich, sich vorzustellen, wie in solchen Schlössern und Burgen gelebt wurde.
Vom „Abtritt“ über den „Schūttstein“ zum „Verliess“ beeindrucken auch die Informationen zum Bereitstellen und Haltbarmachen von Nahrung, Herstellung von „Medizin“. In einem empfehlenswerten Rundgang durch das heutige Museum erfuhren wir auch viel über die historischen Persönlichkeiten und wie sie die politischen Verwerfungen und Wechsel überwanden. Auch wenn das Herz in dieser Umgebung etwas romantisch wird, sind wir doch froh, in der neuen Zeit zu leben, wenn wir z.B. an den Zahnarzt denken…
Dann kehrten auch die Wanderer zurück, welche das Wasserschloss entlang des Wassergrabens erkundeten und sich dabei überlegten, ob es sich bei den Fischen im Wasser um Alete oder eher Rotaugen handle. Anschliessend führte uns der Ebneter-Car mit unserem hervorragenden Chauffeur Walter nach Baldegg weiter.
76 Jahre nach Pfarrer Helg in Libingen, gründete Kaplan Josef Leonz Blum eine Genossenschaft armer Mägde in Baldegg. Er wollte eine Schule Gründen, um arme Frauen auszubilden. 7 leibliche Schwestern sind eingetreten und nach einigen Wirren entstand aus dieser Schule das Franziskanerinnen-Kloster Baldegg, wo 1920 noch 500 Schwestern, 1968 schon 1000 Schwestern für das Apostolat lebten, eine Pflegeschule, eine Töchterschule betrieben und auch in Afrika als Missionarinnen tätig waren. Für Frauen war der Eintritt früher auch eine Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Weiter interessant ist auch die Architekturgeschichte. Der Neubau des Klosters Baldegg wurde durch Marcel Breuer im Bauhaus-Stil ausgeführt.
Doch bevor die die interessante Reise weiterging, waren wir im modernen Esssaal des Klosters Baldegg zum feinen Mittagessen geladen. Feine Poulet-Involtini mit Risotto oder Risotto mit Pilzen erfreuten den Gaumen. Dabei tauschte sich die Reisegruppe aus und genoss neben dem Essen auch die frohe und humorvolle Stimmung.
Der Bauhausstil entstand in der Zeit als die deutschen Soldaten von einem verlorenen Krieg zurückkehrten. Es herrschten feindselige politische Stimmungen, aber auch Aufbruch. Der Architekt Walter Gropius gründete das Bauhaus in 1919, eine avantgardistische Schule für angehende Designer und Architekten. Studenten mussten zuerst in Werkstätten arbeiten, z.B. Schreinerwerkstatt, Metallwerkstatt, Malerwerkstatt. Erst danach begann das Studium. Neue Ideale waren Einfachheit, Reduktion, und Funktionalität. So entstanden z.B. die bekannten Sessel aus Stahlrohren, die Freischwinger.
Breuer wurde beauftragt, in Baldegg ein neues Kloster zu erbauen. Er wollte zuerst die Aufgaben und Funktionen erfassen und verstehen, bevor er sich an Planung und Ausführung machte. Unsere Führerin durch das Kloster, Schwester Boriska erklärte, dass sie in der Zeit der Hochblüte eingetreten sei, als ein neues Kloster nötig wurde.
Der Stil wird sichtbar an der Fassade: Geschlossenheit nach innen, Offenheit nach außen, Licht und Schatten. Die Gast- und Ökonomieräume weisen große Fenster auf, die Offenheit nach außen symbolisieren, sinnbildlich für das Apostolat, die Verkündigung. Aber auch die Welt nach innen nehmen ist für die Schwestern eine Aufgabe. Dies wird durch die kleinen Fenster der Zellen angedeutet, die für Rückzugsmöglichkeit und das Hineinnehmen der Welt ins Kloster stehen. Die Zellen weisen fließend kalt und warm Wasser auf, wobei man beim Bau noch überlegte, ob warmes Wasser überhaupt nötig sei. Wir wurden nach einem Rundgang durch das Kloster und die Klosterkapelle herzlich verabschiedet und reisten weiter.
In der Schlachtkapelle von Sempach kamen mir die Geschichtslektionen aus der Primarschulzeit in den Sinn, als uns der Lehrer den heldenhaften Kampf der Eidgenossen gegen die Habsburger schilderte bei der Schlacht bei Sempach 1386. Besonders beeindruckt war ich damals von Arnold Winkelried, der die feindlichen Speere in seine Brust leitete und den Eidgenossen dadurch eine Gasse machte. Noch mehr beeindruckte uns aber unser Reiseleiter, der uns die Geschichte etwas anders erzählte, uns aber das Lied über die Schlacht vortrug. Er wurde an dieser Stelle auch herzlich verdankt für sein großes Engagement in der Konzeption und Durchführung der Reise. Ein grosser Dank geht auch an Susanne Raas, für die Unterstützung und Administration.
Noch eine letzte Wegzehrung in Sempach. In diesem geschichtsträchtigen Städtchen saßen wir nochmals gemütlich bei einem Bier zusammen, bevor wir dann den Ebneter-Car bestiegen zur Heimreise. Die Gespräche waren so angeregt, dass die Zeit verging, wie im Car. Mit der Ankunft um 19.32 Uhr endete eine wunderbare Reise wieder in St.Georgen. Mit einem herzlichen Dank an die Organisatoren und den Chauffeur verabschiedeten wir uns, nicht ohne den Hinweis auf unseren Gospelauftritt von morgen Sonntag, an dem wir uns um 10.00 Uhr zum Einsingen treffen.